Antwort auf: Die Kugelfrage

#453
Christoph Roderig
Teilnehmer

Ich habe 1997 einen Satz OBUT ATX geschenkt bekommen. Das war damals mit 290,– DM der teuerste Satz Kugeln, den man kaufen konnte. Ach so: 73mm/690g.

Die Kugel hatte damals schon den Nimbus, dass man damit nichts verkehrt machen kann. Im Sinne von: „Wirf eine ATX, den Rest macht die Kugel dann selbst.“

Allein dieses Gefühl, die damals „besten Boule-Kugeln der Welt“ zu spielen, machten meine Wurf-Techniken schon gefühlt erfolgreicher.

Mit diesem Satz habe ich bis 2018 ausschließlich gespielt. Dann wurden es doch ein paar Macken zu viel auf ein, zwei Kugeln, die Gravur wurde unleserlicher – und ich habe mir einen neuen Satz Kugeln gekauft, den ich bis heute spiele: OBUT ATX, 73mm/690g. Übrigens: für über 200,– Euro, ich weiß es nicht mehr ganz genau.

Zurück zum „Nimbus“.

Auf einem Lehrgang 2019 im Sport- und Tagungszentrum Hachen (Sauerland) den ich gemeinsam mit Norbert Koch durchgeführt habe, hatte ein Teilnehmer tatsächlich die „falschen“ Kugeln: viel zu klein, viel zu schwer.

Beim Bier am ersten Abend in Willies Tenne habe ich ihm dann gesagt: „Ich leihe Dir morgen mal einen anderen Satz Kugeln, meine alten ATX.“

Ich habe ihm an dem Abend weiter erzählt, was diese Kugeln in den letzten 20 Jahren schon alles erlebt haben, wo ich überall damit gespielt habe. Natürlich auch Storys von lauen Nächten im Boule-Club St. Denis auf Reunion, von Turnieren in London und New York, von „Zocks“ am Rande von Europa- und Weltmeisterschaften. „Ich bin mir sicher, diese Kugeln haben mehr unterschiedliche Böden kennen gelernt und sind mehr in Flugzeugen unterwegs gewesen, als irgendwelche anderen Kugeln auf der Welt.“

Am nächsten Tag hat er mit meinen alten ATX gespielt – und es war ihm schon eine gewisse Ehrfurcht vor den Kugeln anzumerken. Aber: er war sofort erfolgreicher! Nein, nicht aus Gründen der Hochachtung, sondern weil seine anderen Kugeln einfach viel zu klein und zu schwer waren.

Er war jedenfalls hin und weg von dem Satz und wollte ihn mir abends abkaufen.

„Das geht leider nicht“, habe ich geantwortet. „Aber Du kannst die Kugeln so lange geliehen haben wie Du möchtest, nimm sie einfach morgen mit nach Hause, ich weiß sie ja in guten Händen!“

Aus dieser Begegnung ist eine sehr schöne Brief-Freundschaft geworden. Also: tatsächlich Briefe per Post mit Briefmarke und allem drum und dran.

Meine alten ATX fliegen nun also irgendwo im Raum Bremen durch die Gegend, gespielt von meinem demnächst 85 Jahre alten Brieffreund.

Und so albern wie es klingen mag: mir gefällt der Gedanke daran jedesmal, wenn ich ihn habe. Nicht nur im Bezug auf den alten Jungen, sondern tatsächlich auch im Bezug auf meine alten Kugeln!

Viele Grüße,

Christoph